Wie die Strombörse funktioniert
von Vivian Bullinger | 04.10.2019
Wie funktioniert der Handel mit Strom an der Strombörse. Wer sind die Akteure und welche Rolle nehmen die erneuerbaren Energien hierbei ein? Um diese Fragen und weitere rund um die Strombörse zu beantworten haben wir die Experten des Virtuellen Kraftwerks der EnBW zum Interview gebeten:
Warum gibt es die Strombörse und wie wird der Strom dort gehandelt?
Wo früher noch große Energieversorger bilaterale Verträge aushandelten, schuf man im Zuge der Liberalisierung des europäischen Energiemarktes die Strombörsen. Und das mit dem Ziel, transparentere und marktgerechtere Preise für Energie zu etablieren. Durch diese zentrale Bündelung von Angebot sowie Nachfrage konnte eine hohe Liquidität erreicht werden, zusätzlich wurden durch die Schaffung von standardisierten Produkten die Transaktionskosten gesenkt. Die Strombörsen selbst funktionieren ähnlich wie die bekannten Wertpapierbörsen, mit dem Unterschied, dass als Produkte ausschließlich Strom in zeitlich abgegrenzten Mengen gehandelt wird. Zudem können Handelsgeschäfte nicht nur finanziell, sondern auch in Form von virtuellen Lieferungen in einen Bilanzkreis (Energiekonto) erfüllt werden.
Und wo wird der Strom gehandelt?
Das Ziel der EU-Kommission ist eine große, einheitliche europäische Strombörse. Allerdings ist dies noch ein langer Weg und so gibt es aktuell 12 verschiedene Strombörsen in Europa, von denen einige nur national handeln. Die großen übergreifenden und für uns relevanten Märkte sind die skandinavische NordPool und die European Energy Exchange (EEX) mit Sitz in Leipzig. An der EEX werden neben Strom auch noch andere Produkte wie Erdgas, CO2 oder Emissionsrechte gehandelt.
Wer sind die Akteure an der Strombörse?
Auf der einen Seite stehen Energieproduzenten, welche ihre Erzeugung kurz- oder auch langfristig im Voraus an der Börse veräußern. Das können konventionelle Kraftwerke oder Betreiber von Wasserkraftwerken, Windparks oder Photovoltaik-Anlagen sein. Dem gegenüber stehen Abnehmer wie zum Beispiel Energieversorgungsunternehmen ohne eigene Erzeugung, welche ihren Bedarf an der Börse decken. Und nicht zuletzt natürlich Händler und Broker, welche diese beiden Parteien zusammenbringen.
Alle an der Börse tätigen Unternehmen durchlaufen ein aufwändiges Prüfverfahren. Zudem muss jeder Börsenhändler zwingend einem Unternehmen zugeordnet sein.
Für Betreiber von z. B. ein oder mehreren PV-Anlagen stellt das Prüfverfahren einen enormen Aufwand dar, weshalb sie zur Vermarktung ihrer Energie auf Direktvermarkter zurückgreifen. Diese besitzen alle Voraussetzungen zum Handel an den Börsen, das notwendige Know-how und verkaufen somit im Auftrag des Betreibers die erzeugte Energie.
Welche Faktoren beeinflussen den Strompreis?
Grundsätzlich bestimmen Angebot und Nachfrage den Markt. Der Strom aus konventionellen Kraftwerken wird meist zu den jeweiligen Grenzkosten, also den Kosten für die Entstehung des Stromes, angeboten, welche abhängig sind vom Kraftwerkstyp und der eingesetzten Primär-Energie. So schaltet man gezielt Kraftwerke – beginnend mit den geringsten Grenzkosten – zu, bis die Nachfrage gedeckt ist. Dieses Verfahren bezeichnet man als Merit-Order-Effekt.
Weniger planbar ist die Strom-Erzeugung aus erneuerbaren Energien (Wind, Wasser, Solar, Biomasse etc.), welche z. B. gemäß dem Gesetz zur Förderung der Erneuerbaren Energie in Deutschland (EEG) Vorrang bei der Einspeisung haben und so teure, konventionelle Kraftwerke verdrängen. Der Einspeisevorrang hat aufgrund des Merit-Order-Effektes ein Sinken der Börsenpreise zur Folge.
Neben den Grenzkosten und der Verfügbarkeit von Energie hat aber auch das Abnahmeverhalten Einfluss auf den Börsenpreis. So führt ein Überangebot durch erneuerbare Energie, beispielsweise bei starker Sonneneinstrahlung zur Mittagszeit bei gleichzeitig niedriger Nachfrage, immer häufiger zu negativen Strompreisen – sprich die Erzeuger zahlen dem Abnehmer Geld, und nicht umgekehrt. Dieser Effekt ist gewollt, um Betreiber konventioneller Kraftwerke zu mehr Flexibilität zu bewegen.
Was versteht man unter Spotmarkt und Terminmarkt?
Grundsätzlich tickt die Energiewirtschaft in 15-Minuten Rastern, die ganze Energiebilanzierung findet in 15 Minuten Schritten statt. Die Energiebörse EEX ist selbst noch mal in verschiedene Märkte unterteilt: Auf dem Terminmarkt werden langfristige Stromlieferverträge gehandelt, auf dem Spotmarkt werden kurzfristige Stromlieferungen gehandelt.
Der Spotmarkt lässt sich wiederum in zwei Märkte teilen. Der Day-Ahead-Markt ist der Markt für den Strom, den man heute für morgen stundenscharf (Megawattstunden pro Stunde) kaufen oder verkaufen kann. Jede Stunde hat einen eigenen Preis – auch, wenn die Energiebilanzierung in 15 Minuten passiert. In 15 Minuten-Intervallen gehandelt wird der Strom auf dem Intraday-Markt, also Käufe und Verkäufe von Strom für den aktuellen Tag.
Kann man nachvollziehen woher der Strom kommt? Und wenn ja, wie?
Für Ökostrom gibt es in Deutschland eine verpflichtende Kennzeichnung. In einem solchen Herkunftsnachweis garantiert ein Ökostromanbieter, dass der Strom tatsächlich aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Allerdings wird nur für Ökostrom, der nicht gesetzlich gefördert wird, ein Herkunftsnachweis ausgestellt. Erhält eine EE-Anlage etwa Förderungen nach dem EEG oder KWKG, wird kein derartiges Ökostromzertifikat ausgestellt. Im Strommarkt sind Herkunftsnachweise und die tatsächliche Stromlieferung getrennt und werden auch getrennt gehandelt. So ist der an der Strombörse gehandelte Strom erstmal neutral und losgelöst von der Erzeugungsform.
Wie haben die erneuerbaren Energien die Strombörse verändert?
Wenn Strom aus erneuerbaren Energien ins System kommt, verrutscht die Erzeugungskurve des Merit-Orders und die Preise verändern sich.
Durch den massiven Zubau erneuerbarer Energien hat deren volatile Erzeugung die letzten Jahre die Preisschwankungen an den Börsen verstärkt. Konventionelle Kraftwerke müssen viel stärker flexibilisieren und gezielter ihre Erzeugung an den Gesamtbedarf anpassen. Gerade teure Kraftwerke kamen dadurch unter Druck und wurden viel weniger eingesetzt, als noch vor einigen Jahren.
Wie trägt die Direktvermarktung zu einem stabilen Strompreis bei?
Das ist eine spannende Frage. Wenn mit stabil ein Strompreis auf gleichbleibendem Niveau gemeint ist, dann gar nicht. Belastbarer und verursachungsechter ist er aber geworden, weil durch die Direktvermarktung nicht nur die großen Erzeuger ihre Energie an der Strombörse veräußern, sondern auch viele kleinere Erzeuger nun aktiv am Handel beteiligt sind. Zwar nicht persönlich, sondern gebündelt vertreten durch die jeweiligen Direktvermarkter. Generell nehmen die erneuerbaren Energien einen immer größeren Anteil am Handelsvolumen ein und sorgen so für einen volatileren und dynamischeren Markt.
Vielen Dank für die spannenden Antworten. Sollten Sie noch weitere Fragen zum Thema haben, können Sie diese gerne über unsere Kommentarfunktion stellen.
Weitere Informationen zur Direktvermarktung von PV-Energie sind zudem in unserem Blogartikel „Ohne Umwege zur Direktvermarktung von PV-Strom„, oder auf der Seiten des Virtuellen Kraftwerks der EnBW zu finden.
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